Angesichts des drohenden Untergangs unseres genauso abendländischen wie straff durchgetakteten Lebensstils, gilt es zu tun, was bei Veranstaltungen dieser Größenordnung stets getan zu werden hat: Ein Kommentar muss her, um das Geschehen einzuordnen, im Home Office keiner Depression anheim zu fallen und bloß nichts zu verpassen! Und das aber bitteschön genauso kurzfristig wie -weilig!

Wir starten mit guten Vorsätzen ins Home Office! Definitiv gute Vorsätze! Und es muss unbedingt besser gelingen als mit jenen, die schon kurz nach dem Jahreswechsel wieder über Bord gegangen sind! Das ist ja überhaupt mal richtig Kacke: All jene, die sich noch am Neujahrsmorgen im Fitnessstudio angemeldet und aller Wahrscheinlichkeit zum Trotze bis jetzt durchgezogen hatten – bei denen sich langsam erste Effekte einzustellen beabsichtigten… all jene jedenfalls sind nun also von höherer Gewalt am höheren Streben gehindert… worden… auch! Da hat’s ein scheiß Mal im Leben geklappt mit der anhaltenden Turnerei und dann kommt Corona, die alte Drecksau, Na vielen Dank auch!

Stattdessen dann jetzt also ein neuer Versuch! Wenn die leibliche Ertüchtigung also vorerst flachfällt, man aber schon kommen sieht, dass die sich deshalb entwickelnde Plauze demnächst alles andere als flach zu sein beginnt, man obendrein den ganzen Tag im Home Office versauert und wegen der Social Distancings Abstandregulierung nicht mal zur kollegialen Fütterung vor die Türe gehen kann, dann müssen andere Lauterkeiten her!

Die gar infantilen guten Vorsätze von vor nem Vierteljahr können unserer neuen Tugendhaftigkeit mal sowas von nicht das Wasser reichen! Wartets nur mal ab!!! So nämlich! Wenn nicht jetzt, wann dann?! Wir ertüchtigen uns! Und zwar schon vor der Arbeit, damit das gestern heraufbeschworene Plumpsen aus dem Bett und vor den Schreibtisch gar nicht erst in Erwägung kommt!    Zack! Wecker auf 7, schnell nen Kaffee aus der heimischen Zaubermaschine, rein in die Laufschuhe und runter auf die Straße, so lange es noch erlaubt ist! Pünktlich um 7:30 ist Abmarsch und wir sind die Geilsten! Mit Abstand! Es läuft! Und das um diese Zeit! Irre! Unter normalen Arbeitsbedigungen zeigt Wecker diese frühen Stunden gar nicht an! Werber halt! Das ist die größte Idee, die wir jemals hatten und es dünkt, als würde dies der produktivste Tag seit der Einführung des Home Offices werden!   Nungut, die Latte hängt jetzt noch nicht sooooo hoch, ABER also… das war schon mal super! Tatsächlich kommen wir auch lebendig wieder zu Hause an, sind weder von einem Killervirus dahingerafft, noch von der Pendler-Karavane eben jener überfahren worden, die nicht so geil ambitionierte Heimarbeiter sind, wie wir. Hoch die Treppe, raus aus den verschwitzen Klamotten und „öhhh, was klingelt denn da?“ Blick auf’s Handy: Jaiks, erste Status-Videokonferenz des Tages in 15 Minuten. Eine Krux! In 15 Minuten kann man entweder duschen oder frühstücken oder schnell noch in seine Mails gucken. Ach, wird sind doch alleine hier und das Schöne am Alleinsein ist doch, dass man auch mal einen fliegen lassen kann, ohne dass es wer merkt. In diesem Fall müffeln wir aber also nicht wegen irgendwelcher Darmwinde, sondern wegen der irrsinnig übermütigen sportlichen Ertüchtigung, deretwegen immer noch Sturzbäche von Endorphinen durch unsere Adern pumpen.

Wir entscheiden uns für die Tore zwei und drei: Zwei Scheiben Brot und ein Blick in die Mails und schon sind es nur noch zwei Minuten bis zur Videokonferenz und wir springen immer noch in Unterhose und Socken rum und kühlen ab. DAS könnte etwas komisch aussehen gleich. Schnell irgendwelche Klamotten aus dem Schrank gerissen und rein und schon passiert direkt beim ersten Termin schon das, worüber ich gestern noch Witzchen gemacht hatte, aber da schon abzusehen war, dass das keine gute Idee ist: Untenrum leicht bekleidet und obenrum knapp OK. Nicht mal einen Tag haben wir durchgehalten und lassen uns schon gehen! Und wieso überhaupt „wir“? Bis hierhin hatte ich ja noch versucht, meine Rezepientenschaft mit ins Boot zu ziehen, muss mir nun mit Fortschreiten des Aufsatzes aber eingestehen, dass ich hier der einzige ohne Hose bin. Wo soll das denn bitte noch hinführen, wenn dieser kuriose Ausnahmezustand noch anhält? Das brauchen nicht mal zwei Wochen zu werden, dann bricht die Feuerwehr schon meine Tür auf, weil’s hier so seltsam mufft. Himmel!      Ich lasse einfach die Kamera aus, Ton reicht, dann merkt es keiner!    Noch ein Bissen vom Brot.   Da kommt der erste… Mist! Mit Bild!  Die zweite auch!  Alter, dann muss ich ja auch oder was? Schnell ins Badezimmer und die zerzause Matte richten. Haha, ja, da bin ich! Fuck ich hatte ja einfach das erstbeste Shirt übergeworfen… total zerknittert mit fettem Markenlogo vorne drauf. Die anderen sitzen alle brav am Schreibtisch mit einfarbigem Hintergrund und ordenlicher Oberbekleidung und ich? Stehe mit Laufshirt, Marmeladenrest im Bart, explodierter Friese und ohne Hose in der Küche… was die Gläser und Kochbücher im Hintergrund dummerweise auch recht offensichtlich preisgeben.   Dass ich überhaupt Kochbücher habe, ist fast noch kurioser als die fehlende Hose! Egal, die inneren und fachlichen Werte zählen und nicht das Erscheinungsbild! Obwohl… sollte dieses Tagebuch jemals den Weg in die Firma finden, kann ich mich eh nach nem neuen Job umschauen! Da nimmt mich doch keine Sau mehr für voll! Vielleicht nicht die allerbeste Taktik angesichts der aufziehenden wirtschaftlichen Lage! Und duschen muss ich gleich auch noch! Das aber flott… sonst bin ich ja der erste, der sich tadeln lassen muss, im Home Office den Fokus zu verlieren.

Noch vor dem Ende der Konferenz bimmelt aber schon wieder der Kalender! Nächster Call in 10 Minuten… und der geht 1,5 Stunden! Fuck! Danach aber Duschen!

Also sagen wir mal so: Es ist mittlerweile knappe 9,5 Stunden später… ich habe habe zwar eine Laufhose und einen Pulli übergezogen, damit ich spätestens ab dem zweiten Videocall nicht mehr aussehe, wie jemand, den man orientierungslos aus einer Fußgängerzone entführt hat. Die Haare sind immer noch nicht besser und geduscht hab ich auch noch nicht. Dafür gehe ich jetzt aber einfach noch ne Runde laufen! Fokus, Digger! Und Ambition! Und angesichts sich ausweitender HamsterKäufe, könnte man dem, das ich hier zu veranstalten gedenke, bevor uns von Obrigkeitswegen der Gang vor die Tür verwehrt wird, bezeichnen als… Hamsterläufe! Hihi. Bis bald!