Runner’s World Tagebuch 1: Klaustrophobie

Runner’s World Tagebuch 1: Klaustrophobie

Runner’s World Tagebuch 1: Klaustrophobie

 

Ich war im Februar 2020 auf Fuerteventura im Runner’s World Trainingslager. Leider hatten wir in den ersten Tagen wegen eines Sandsturms namens Calima Ertüchtigungsverbot. Damit den Teilnehmern nicht die Decke auf den Kopf und das Gemüt auf die Füße fiel, schritt ich zur Tat mit einem Reise-Tagebuch. Das ganze Unterfangen ist dann etwas außer Kontrolle geraten:

Calima ist ein unregelmäßiges Substantiv und wird entsprechend folgendermaßen dekliniert:

  • Calima
  • Calimocho: Quasi die mediterrane Variante des auf deutschen Dorffesten ausgeschenkten Diesel. Der besteht aus Bier und Cola… Calimocho aus Rotwein und Cola.
  • Calimero: Das laufende Zeichentrick-Ei! Passt ja irgendwie. Also zum Sport-Camp… nicht so sehr zum Sandsturm. Also das Laufen zumindest. Vielleicht kommt ja aber nach dem Sand auch noch Eischnee dazu.
  • Calamaris: Das waren mal die mit den vielen Armen, bevor man sie in Scheiben geschnitten hat.
  • Calligraphie: Das mit dem schönen Schreiben.
  • Car2go
  • Und Schluss endlich: Klaustrophobie. „Die Angst vor dem tatsächlichen oder gefühlten Eingesperrtsein“. Viel treffender ist der goldene Käfig, in dem wir alle die zwei Tage verbracht haben, ja wohl kaum zu beschreiben. Das Pro Trainings Tours – Runnersworld Klaustrophobiecamp… proudly presended by Lagerkoller and the circus of flying monkeys. Aber die Zimmer sind ganz schön.

Wir lassen das Thema Sand und Staub mit dem finalen Hinweis hinter uns, dass 1. physikalische Einheiten zwischen milli, micro, PM10 und PM2,5 kein Thema sind, mit dem man sich eingehender beschäftigen sollte, weil das darüber angehäufte Wissen genauso wenig Spaß bereitet, wie es schnell macht, und 2. der scheiß Sand nicht nur in Getriebe und Gebälk knirscht, sondern vor allem auch in der Kauleiste. So wird aber selbst flüssigen Nahrungsmitteln eine völlig neue gustatorische (geschmacklich!) Erfahrung zuteil… Selbst- und Grenzerfahrung zugleich! Und das all-inclusive! Wie schön!

Nun aber endlich zum wesentlichen Teil des Aufsatzes: Was haben wir gemacht? „Nichts!“, schreien die überambitionierten Läufermünder genauso unisono wie gelangweilt aus ihren Übergangsbehausungen, während sie sich die zentimeterdicke Staubschicht von den Gliedmaßen klopfen, die sich seit dem Beginn des gestern schon heraufbeschworenen Müßigganges angesammelt hat. Ganz so faul waren wir dann ja aber doch nicht: Immerhin haben wir uns gestern Morgen noch ein gemeinsames Sand-Peeling abgeholt, abgerundet mit einer kleinen Mobility-Einheit. Mobility versteht sich hier als neudeutsche Schwester der altbekannten Lauf-Gymnastik, der Gangbarmachung oder Entrostung der über Nacht angetrockneten Extremitäten. Mit Mobility verhält es sich übrigens genauso, wie mit dem Begriff „Core-Training“: Zu meiner Zeit hieß das noch wenig ruhmreich „Rumpfstabi“, ist aber eigentlich auch nur Bauch-Beine-Pro für Coole!

Wir schweifen ab!

Jedenfalls soll uns erstmal jemand nachmachen, sich ohne Regen und Matsch innerhalb von 3km so dermaßen durchzuwalken, dass a) der nächste Satz Klamotten in die Altkleidertonne kann und b) wieder der Dekontaminationstrupp anrücken muss, um den Sand da hervorzuholen, wo nie die Sonne scheint. Aber lassen wir das. Wieder mal. Führt ja zu nichts das Gemaule.

Nun gut und dann? Berieseln lassen! Der Begriff wird in einem Sandsturm mit einer gänzlich neuen Bedeutungsschwangerschaft belegt. Wie toll! Fast so schön wie… jetzt genau aufpassen, ich mache langsam! Fast so schön also, wie „sich die Haare wachsen lassen“ oder allseits beliebte Oxymora, wie etwa „herrenloses Damenrad“, „Holzeisenbahn“, „soziale Marktwirtschaft“ oder eben „Out Door Sporthalle TC6“, in der wir uns also haben berieseln lassen. Von oben mit Sand und von vorne von Nils, der einem alle möglichen und unmöglichen artistischen Kniffe aus den Gliedmaßen zu zaubern versuchte. Schön vormachen kann er ja! Und ich nehme mich da weiß Gott nicht aus, wenn ich sage, dass ich die eine oder andere Übung gerne im stillen Kämmerlein ein halbes Stündchen einstudieren würde, bevor ich sie den versammelten Mitinsassen vorzuführen hätte. Für das Allgemeinwohl, den Fortbestand der Menschheit allgemein und euer aller Schutz, degradiere ich mich bei derlei Zirkusnummern lieber an die Seitenlinie… gibt sonst nur wieder blaue Augen und ausgeschlagene Zähne! Außerdem hat Paddy gesagt, wir müssen mit der Versicherung haushalten! (Bei der Recherche nach einem Synonym für Akrobatik bin ich übrigens über das Wort „Hippodrom“ gestolpert. Wunderbar!)

Nach erneuter aquaristischer Abbeizung, neudeutsch auch Dusche genannt, wurde dann gemeinschaftlich das Buffet gefräst. Seinerzeit beschied ein guter Freund einmal: „Man geleite mich zum Trog und kredenze mir Köstlichkeiten!“ Es wäre ein wahrer Genuss, würde er nicht dadurch getrübt, dass das Herbeiführen einer deutlich positiven Energiebilanz dummerweise viel zu schnell und einfach ist, wenn man sich den ganzen Tag kaum körperlich ertüchtigt hat. Da hilft nur eines: Den ganzen Tag angestrengt Reclam-Hefte lesen… der Denkapparat verbrennt ja schließlich auch Kaloriën. Das Oberstübchen kam im Goerke’schen Energiehaushaltsvortrag übrigens gar nicht vor! Denkt daher unbedingt dran: Wer beim lockeren Läufchen intellektuell fordernde Hörbücher hört, muss mehr Zucker zuführen, um nicht geistig zu brillieren, aber muskulär abzukacken!

Ich ergreife diese gar wunderbare Überleitung beim Schopfe und komme zum finalen Teil des Tages, in dem uns vom Coach die Erkenntnis offenbart wurde, dass wir alle genug Fett mit uns herumschleppen würden, um damit zehn bis 20 Marathons zu laufen! Na, vielen Dank auch! „Soll das etwa heißen, ich sei fett? Du Schwein!“ An die Reserve käme zudem nur ran, wer das Höllenfeuer per Kohlehydratzufuhr anfacht mit sack-teurem Crème-Brûlée-Gel, das aber wohlportioniert eingesetzt werden will, um nicht wieder auf Hüfte oder Plauze zu landen. Eine Krux! Aber Coachi sagt, es wäre ganz einfach! Bloß nicht im schwarzen Loch steckenbleiben und der Rest ergibt sich von selbst! Zweifel kamen erst auf, als derselbe Mann drei Minuten später zwei Striche an die Tafel zeichnete und diese als wunderbare Vereinfachung eines Graphen verkaufte, der beschriftet war mit „Hmpf“ und „Grzgrmpf“ und beim unvoreingenommenen Hinsehen aussieht, wie ein Fuß. 

Wahrscheinlich lag’s aber an mir und dem Sand in meinem Oberstübchen… in diesem Sinne! Bis morgen!