Ich war im März 2020 auf Fuerteventura und wurde von den Kollegen von Hannes Hawaii Tours gebeten, die zusehends müden Triathleten etwas aufzumischen. Das Unterfangen ist dann ein klein wenig außer Kontrolle geraten und endete in gleich drei Vorlesungen.

Da isser wieder! Wie nett! Und  schön auch, dass ihr alle seid! Ich hörte, dass das bei euch nicht immer so ist, weil ab und zu auch Leute verloren gehen. Und wie war denn das Lauf-ABC? Alle brav mit den dicken Beinen zu Hause geblieben?

Der eine oder andere mag mir zwar für eine Fressepolierung aufgelauert haben, aber da ich meine Entourage dabei hatte, die auf mich aufgepasst hat, habe ich es doch nochmal für einen Nachschlag hergeschafft. Welch glückliche Fügung! Dumm nur, dass zwei Leibwächter mittlerweile abgereist sind! Aber Tabea ist noch da und die arbeitet bei der Polizei! Ich baue also ganz stark drauf, dass sie für mich Ausdauerwürstchen in die Bresche springt, wenn mir ein aufgebrachter Sportsunkollege Schläge anbietet. Tabs? Fabian ist da leider nicht so die Hilfe, hat er doch noch dünnere Ärmchen als ich.

Nun aber zur Anknüpfung an das vorgestern Begonnene. Unser Tagebuch will fortgeschrieben werden und das geht so:

Tag 1: Feinstaubalarm

Kilometerlange Furchen sind durch das Land getrieben worden per Pedes und -von den vor winterlichem Sauwetter nicht Zurückschreckenden auch- per Pedalkraft! Und wie häufig man den Pool des heimischen Schwimmbades nicht nur mit der eigenen Armkraft und dem (zumeist unzureichenden) Beinschlag umgerührt hat, vermag niemand zu zählen. Dass man ebendiesen Pool aber auch mindestens 1,5 Male ausgetrunken hat, ist unbestritten! Die sich direkt im Anschluss stellende Frage, wieso er dann nicht leer ist, lassen wir mal so im Raume stehen. Jedenfalls wähnte man sich allerbeste vorbereitet, um der vorhandenen Grundlage im Trainingslager noch ein schönes Portiönchen draufzustetzen und dann?

Kacke, Feinstaub! In was für einer Welt leben wir eigentlich, in der man bei Amazon ein Rhetorikseminar in Fernost bestellen kann, das dann per Flugzeug am nächsten Tag geliefert wird, aber einen dämlichen Sandsturm kann man nicht umleiten, vertagen oder rundherum abbestellen, oder was?! Was hier looos ist?!      Man hat ja die Strg+Z- und Rücksendementalität mittlerweile dermaßen verinnerlicht, dass mit derart unvermeidbarer höherer Gewalt überhaupt niemand mehr umzugehen weiß. Von wegen „das Ebenbild Gottes“, wenn man nicht mal einen Sandsturm abzusagen in der Lage ist. Da zeigt sich wieder einmal (Aufgepast… Ebenbild…): Aussehen ist nicht alles! Wer gernegroß proklamiert die Krone der Schöpfung zu sein, muss dann aber bitteschön auch liefern. Das mit der Krone ist ja aber eh ein Euphemismus: So wie wir mit dem Rest der Schöpfung umgehen, sind wir wohl weniger der Kopfschmuck ebendieser, sondern vielmehr der unter großen Schmerzen eingesetzte Ersatzzahn. Nun aber Schluss mit dem Gezeter! Wir sind hier schließlich nicht im politischen Kabarett, wo Kritik am eigenen Handeln zum guten Ton zählt, was man sich brav anhört, damit die Eigenbeteiligung aber auch schon endet. Tatsächlich sind wir hier zum Training, aber wegen ungesunder Luftqualität mussten hier bedauernswerte Abstriche gemacht werden. Diesem kackscheiß Sandsturm könnte ich immer noch eine reinhauen für das Durcheinanderwirbeln des Trainingsplans. Über das Wort Durcheinanderwirbeln an dieser Stelle schmunzele ich innerlich seitdem ich diese Satzkombination zusammengoss.

Calima jedenfalls ist ein unregelmäßiges Substantiv und wird entsprechend folgendermaßen dekliniert:

  • Calima
  • Calimocho: Quasi die mediterrane Variante des auf deutschen Dorffesten ausgeschenkten Diesel. Der besteht aus Bier und Cola… Calimocho aus Rotwein und Cola.
  • Calimero: Das laufende Zeichentrick-Ei! Passt ja irgendwie. Also zum Sport-Camp… nicht so sehr zum Sandsturm. Also das Laufen zumindest. Vielleicht kommt ja aber nach dem Sand auch noch Eischnee dazu.
  • Calamaris: Das waren mal die mit den vielen Armen, bevor man sie in Scheiben geschnitten hat.
  • Calligraphie: Das mit dem schönen Schreiben.
  • Car2go
  • Und Schluss endlich: Klaustrophobie. „Die Angst vor dem tatsächlichen oder gefühlten Eingesperrtsein“. Viel treffender ist der goldene Käfig, in dem wir alle die zwei Tage verbracht haben, ja wohl kaum zu beschreiben. Das Hannes Hawaii Triathlon Klaustrophobiecamp… Sport machen wir hier nicht, aber die Zimmer sind ganz schön.

A pro pos Zimmer! Wir Trainer sind ja im Anbau untergebracht. Der Fachterminus lautet Vivienda, wobei ich feststellen musste, das die Hotelangestellten, damit nichts anzufangen wissen. Scheint so ein Deutsches Iberico-Ding zu sein wie „Ballermann“. Dass ich mich beim Schreiben dieser Zeilen stets vertippe und Hostel statt Hotel schreibe, spricht übrigens Bände und trifft es ganz gut. Sagen wir mal so: Wenn eine Quarantäne über uns alle verhängt würde, sind wir diejenigen, die als erste nen Lagerkoller bekommen und uns vom 1. OG ins den Garten stürzen. Jedenfalls hat das ganze Beisammensein dort nicht nur was von Hostel, sondern auch von Forrest Gumps Pralinenschachtel: Man weiß nie, was man kriegt. Meinen Mitbewohner kannte ich vor unserem gemeinsamen Einzug in das Ehebett nicht, aber wir haben uns ganz gut arrangiert. Mal ganz abgesehen von den deutlich abweichenden Biorhythmen. Egal wann ich nach Hause komme, der Knilch liegt schon in der Koje. Jedenfalls wohnen wir mittlerweile mit drei Fahrrädern und zwei Bikekoffern zusammen und es ist entsprechend kuschelig. Etwas kurios entwickelte sich der heutige Besuch der Putzfrau: Betten, Gräberle und Mückendings.

Wir sind schon wieder vom Thema abgekommen. Was ist denn hier loooos, man?!

Der Scheiß Sand jedenfalls setzt sich ja aber auch wirklich überall ab! Nur nochmal zur Klarstellung: ÜBERALL! Schuhe, Fußboden, Bett, Blackroll rundrum und darüber dann an Beinen, Rücken usw., Füße von unten wenn man nach dem Duschen durch’s Zimmer marschiert, Klamotten, Nase, Ohren und nicht zuletzt im Getriebe. Aber lassen wir das… Unsere Hacienda-Küche sieht, ob der spärlichen Einsatzplanung der Putzleute, immer noch aus, wie bei Interstellar, wer es gesehen hat. Und hat von euch mal einer auf die Hängeschränke geschaut? Es steht zu befürchten, dass nach dem Ausflug in vermeintlich homo-erotische Gefilde, diese Putzfrau uns dabei nicht mehr unterstützen wird. Also beim Staub, nicht bei der Homoerotik.

Nun aber endlich zum wesentlichen Teil des Aufsatzes: Was haben wir gemacht? „Zu wenig!“, schreien die überambitionierten Athletenmünder genauso unisono wie gelangweilt aus ihren Übergangsbehausungen, während sie sich die zentimeterdicke Staubschicht von den Gliedmaßen klopfen, die sich seit dem Beginn des Müßigganges angesammelt hat. Ganz so faul wart ihr dann ja aber doch nicht: Anstatt Metabolismus und Schweißproduktion per ausdauernder Leibesertüchtigung anzukurbeln, wurde geturnt und das nicht zu knapp! Wie ich hörte, firmierte der Notfallsport bei euch unter „Athletik und Dehnen“. Die Runner’s World Kollegen haben sich da noch etwas weiter aus dem anglizistischen Fenster gelehnt und das Ganze als „Core“-Training bezeichnet. Zu meiner Zeit hieß das noch wenig ruhmreich „Rumpfstabi“, ist aber eigentlich auch nur Bauch-Beine-Pro für Coole! Wie gesagt: ich komme noch aus einer Zeit, wo es Zweiteiler ohne Arme gab! Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wie Fahrräder aus Alu und Laufen ohne GPS. Jedenfalls… ist’s unter’m Strich doch alles Gymnastik… oder Bodenturnen. Je nachdem. Aber hat das denn nie ein Ende?! Den ganzen Winter haben wir auf dem Fitnesstudio-Fußboden ver- und die unmöglichsten Verrenkungen vollbracht. Dieses andauernde Geturne und Gehopse! Es ist zum Haareraufen! Wir sind hier doch bei Hannes Hawaii Tours und nicht beim Magazin für Ballett! Und das gibt es wirklich! Was ist nicht alles gibt! Ich saß auch mal in der Bahn… Messer.

Wir schweifen ab! Aber, diesmal hab ich’s immerhin früher bemerkt! Es ist schwer zu glauben, aber auch ich lerne ja dazu.

Wer von euch sich trotz allem doch zu einem kurzen Läufchen vor die Tür gewagt hat, weiß genau, wovon ich spreche: Euch soll erstmal jemand nachmachen, sich ohne Regen und Matsch innerhalb von 3km so dermaßen durchzuwalken, dass a) der benutze Satz Klamotten direkt in die Altkleidertonne kann und b) wieder der Dekontaminationstrupp anrücken muss, um den Sand da hervorzuholen, wo nie die Sonne scheint. Aber lassen wir das. Wieder mal. Führt ja doch wieder nur zu Pimmel- und Fäkalhumor.

A pro pos: Schatz, ich will mich scheiden lassen! Du bist mir zu infantil…

Nach erneuter aquaristischer Abbeizung, neudeutsch auch Dusche genannt, wurde dann gemeinschaftlich das Buffet gefräst. Seinerzeit beschied ein guter Freund einmal: „Man geleite mich zum Trog und kredenze mir Köstlichkeiten!“ Es wäre ein wahrer Genuss, würde er nicht dadurch getrübt, dass das Herbeiführen einer deutlich positiven Energiebilanz dummerweise viel zu schnell und einfach ist, wenn man sich den ganzen Tag kaum körperlich ertüchtigt hat. Da hilft nur eines: Den ganzen Tag angestrengt Reclam-Hefte lesen… der Denkapparat verbrennt ja schließlich auch Kaloriën (spanin, australin…). Das Oberstübchen kam im Puni’schen Energiehaushaltsvortrag übrigens gar nicht vor, wenn ich mich nicht irre! Denkt daher unbedingt dran: Wer beim lockeren Läufchen intellektuell fordernde Hörbücher hört, muss mehr Zucker zuführen, um nicht geistig zu brillieren, aber muskulär abzukacken!

Wenn ich richtig informiert bin, wart ihr dann auch noch spinnen im Aparthotel. Hättet ihr mal was gesagt: In einem anderen meiner diversen Leben bin Indoor Cycling Instructor. Da hätte ich euch mal schön mit „interessanter“ Musik beschallen und dazu anschreien können. Da wäre was losgewesen. Aber vielleicht kommt ja noch ein Calimero! Ich melde mich dann! Wie scheiße es überhaupt ist, auf ner Südseeinsel zu sitzen und dann drinnen zu spinnen?! Aber jene Tage haben wir ja mittlerwiele glücklicherweise hinter uns gelassen und können uns nun draußen wieder den Hintern versohlen. Wer da im Unterzucker mit 3 Bar im geflickten Reifen unterwegs ist, hat wenigstens mal richtig Geburtstag und muss zusehen, wie er oder sie Hause kommt. Nix mit Absteigen, Abstauben und nach Hause watscheln.

Ein paar Themen hätte ich noch, aber ich baue drauf, dass ich vielleicht, auch um eure Geduld vollends auf die Probe zu stellen, noch einmal wiederkommen darf. Bis dahin wurde ich gebeten, noch etwas Melodramatisches zu erfinden über eine Kollegin, die ich in meinem Leben 10 Mal für jeweils 12 Sekunden gesehen habe. Lotta nämlich fliegt nach zwei Monaten Campleitung morgen wieder nach Hause. Respekt, Lotta! Dass du trotzdem noch normal sprechen und aufrecht gehen kannst! Ich habe mal einen Aufsatz geschrieben über die sprachliche Verrohung in Trainingslagern. Nach zwei Monaten in dieser Blase voller wahnsinniger Sportfanaten, hätte ich mich auch nicht gewundert, wenn du uns am Flughafen begrüßt hättest mit infantilen Beleidigungen und dummen Witzchen 😉 Ich hatte ja gestern das zweifelhafte Vergnügen einer Radausfahrt mit deiner Co-Organisatoring. Sagen wir mal so: Wegen bedauernswert schlechter Ortskenntnis bin ich von ganz alleine in die beschissenste Abfahrt der Insel hineingeraten. Dass man die Drecksklippe im Gegenwind auch bergauf krauchen kann -wenngleich besser nicht sollte, wenn man nur eine Flachlandübersetzung dabei hat- wurde mir gestern dann hinlänglich bewiesen. Dafür nochmal herzlichen Dank! Gibt ja nen guten Grund, warum die sportliche Leitung nicht bei dir liegt. Wenn also die Tagesplanung hier dann so abläuft, wie die Routenplanung gestern, gnade euch Gott, wenn Lotta das Weite gesucht hat und mit einem Studium nach Höherem zu streben gedenkt. Weil wir uns in der zurückliegenden Woche so gut kennenlernen konnten, werde ich dich allen voran und die anderen ein klein bisschen vermissen! Alles Gute und vielen Dank an Lotta und vielen Dank an euch!