Ich war im Februar 2020 auf Fuerteventura im Runner’s World Trainingslager. Leider hatten wir in den ersten Tagen wegen eines Sandsturms namens Calima Ertüchtigungsverbot. Damit den Teilnehmern nicht die Decke auf den Kopf und das Gemüt auf die Füße fiel, schritt ich zur Tat mit einem Reise-Tagebuch. Das ganze Unterfangen ist dann etwas außer Kontrolle geraten:

Was hab ich mir eigentlich eingebrockt? Jetzt sitze ich jeden Tag stundenlang im stillen Kämmerlein und schreibe diesen Quatsch zusammen. Damit ihr die mir selbst auferlegte Kasteiung nachfühlen könnt, wird es heute inhaltlich etwas sperriger und.. Öhm… auch vom Umfang her. Das Doofe ist ja, dass auch ich keine Ahnung habe, was rauskommt, wenn ich mich zum Dichten einkaserniere. Für mich spannend, für euch ggf. schockierend. Man wird sehen.

Wir probieren also mal was neues aus. Man muss sich ja weiterentwickeln und auch mal Klimmzüge am Tellerrand des goldenen Käfigs machen. Neben dem Erlebten kann ich mir nicht erklären, wie es passieren konnte, aber wir steifen eventuell die Themen Gott, Amazon (ist das mittlerweile eigentlich synonym zu verwenden?!), Harvey Weinstein, Goethes Zauberlehrling und Witze unter der Gürtellinie. Achso… Allah kommt auch vor. Wie bin ich nur hier reingeraten? Und ihr erst?! Ein Monster habt ihr erschaffen! Mit dem Humor eines Dreijährigen, den Saysky-Klamotten der kleinen Kati, dem Laufstil von Bibo aus der Sesamstraße und den Haaren von John McEnroe. Das kann ja heiter werden. Hoffentlich.

Zur Einstimmung, falls der heutige Aufsatz wegen der geistigen Eskapaden des Vortragenden nicht so zündet und damit ihr wenigstens einem Lacher nach Hause gehen könnt, ein Witz: „Ich habe noch nie verstanden, wie man beim Biathlon zweiter werden kann. Man hat doch ein Gewehr!?“

Jetzt aber zum wesentlichen Teil des Abends: Die historische Abhandlung des gestrigen Tages.

Immer noch Feinstaubalarm! Kacke! In was für einer Welt leben wir eigentlich, in der man bei Amazon ein Rhetorikseminar in Fernost bestellen kann, das per Flugzeug am nächsten Tag geliefert wird oder in der Kampfpiloten in Heimarbeit vom anderen Ende der Welt mit Drohnen durch den Himmel dröhnen… aber einen dämlichen Sandsturm kann man nicht umleiten, vertagen oder rundherum abbestellen, oder was?! Was hier looos ist?! Man hat ja die Strg+Z- und Rücksendementalität mittlerweile dermaßen verinnerlicht, dass mit derart unvermeidbarer höherer Gewalt überhaupt niemand mehr umzugehen weiß. Von wegen „das Ebenbild Gottes“, wenn man nicht mal einen Sandsturm abzusagen in der Lage ist. Da zeigt sich wieder einmal: Aussehen ist nicht alles! Wer gernegroß proklamiert die Krone der Schöpfung zu sein, muss dann aber bitteschön auch liefern. Das mit der Krone ist ja aber eh ein Euphemismus: So wie wir mit dem Rest der Schöpfung umgehen, sind wir wohl weniger der Kopfschmuck ebendieser, sondern vielmehr der unter großen Schmerzen eingesetzte Ersatzzahn der ebenjenen. Nun aber Schluss mit dem Gezeter! Wir sind hier schließlich nicht im politischen Kabarett, wo Kritik am eigenen Handeln zum guten Ton gehört, was man sich brav anhört, damit die Eigenbeteiligung aber auch schon endet. Tatsächlich sind wir hier zum Training und dem wurde sich wegen weiterhin ungesunder Luftqualität nur angenähert. Um mal wieder einen Bezug zum Tagesgeschehen herzustellen: Mit der Intensität unserer Leibesertüchtigungen verhielt es sich in etwa so, wie Harvey Weinstein seine Intermezzae mit den diversen ausgenutzten und eingeschüchterten Damen zu verharmlosen versuchte: Vielleicht war der Bademantel nicht stramm zugeknotet, aber von ersthaften Avancen kann ja wohl kaum die Rede sein.

(Ich habe befürchtet, dass dieser Witz etwas zu weit ging. Aber einen Versuch war es wert. Ist notiert!) An dieser Stelle habe ich die Einstreuung eines weiteren Witzes vorgesehen, weil schon beim Schreiben zu befürchten stand, dass die Stimmung bis hierhin noch nicht den ihr möglichen Zenit erklommen haben dürfte: „Famous last Words auf der internationalen Raumstation: Wer hat gepupst? Ich mal mal das Fenster auf!“

Alter! 5 Minuten erzählt und noch kein Wort über den Tagesinhalt zu Stande gebracht. Es ist ein Skandal!

Wir warfen uns also schon vor dem Frühstück in die paar Sportklamotten, die bisher noch nicht zerfetzt und runtergerockt in der Altkleidertonne gelandet waren, legten das schönste Rouge, die flotteste Kopfbedeckung und das unangestrengtste Grinsen auf, das wir angesichts der Lage im Stande waren zu fabrizieren. Entgegen der expliziten Bitte des Coaches, sich nicht zu verstellen, sondern das gewohnte Gehopse, das wir Laufen nennen, in moderat flottem Tempo darzustellen, vollführten wir vor laufender Kamera das schönste, graziöseste und weltmeisterlichste Gesamtkunstwerk koordinatorischer Behändigkeit, das die Sonne in diesem Teil der Welt jemals gesehen hat. Nun könnten böse Zungen behaupten, dass des Staubes wegen die Sonne gar nicht beiwohnen konnte und meine Darstellung somit dem Anheben der allgemeinen Stimmung und der Honigumdenbartschmierung wegen ein klein wenig überhöht gewesen sein könnte. Aber genauso wurde mir von einem Bekannten kolportiert, dass der eine oder andere Muslim während des Ramadans zur übertäglichen Nahrungsaufnahme in den Keller entschwindet, weil Allah ihn dort nicht zu sehen vermag. Was sagt uns das jetzt? Wir haben uns nach Kräften bemüht! Also auf jeden Fall haben wir teilgenommen. Naja gut, zumindest sind wir nicht durch Abwesenheit negativ aufgefallen. Und so schlimm wird die Analyse schon nicht werden. Der Coach vermag es ja wie kein zweiter, selbst die kuriosesten und orthopädisch eigentlich nicht enträtselbaren Vonstöße als läuferisch einzigarten Vorteil zu verkaufen und wiederholt sicherzustellen, dass mit nur einer minimalen Stärkung des Popöchens und einer winziges Dehnung des Hüftbeugers zukünftigen Großtaten nichts mehr im Wege stünde: Olympia, wir kommen! So ein Glück! Dass Nils aber noch vor dem ersten Blick auf die cineastischen Beweismittel der eigenen sportiven Fortbewegung eine detaillierte Analyse des gazellenhaften Laufstils eines gewissen Herrn Kipchoges inszenierte, lies nichts Gutes erahnen.

Noch bevor zur Untersuchung geschritten wurde, schafften es Coach und drei IT-Profis… ich versuche ja zu vermeiden, eben diese meine Profession jemandem auf die Nase zu binden. Ab dem Moment hört man nämlich inflationär häufig einen der beiden Lieblingssätze eines jeden Computerarbeiters: „Wo du gerade da bist“ oder „Das ist für dich bestimmt kein Problem. Ich habe zwar gerade das komplette Internet gelöscht, aber du kannst das mit einem Knopfdruck bestimmt postwendend reparieren“. Der IT-Noob Goerke und die drei IT-Boys offenbarten sich also als ausgesprochene Taugenichtse, indem sie es nicht auf die Reihe bekamen, die bekackten Handyvideos auf den Beamer zu zaubern.       Ich erfuhr gestern Abend übrigens, dass einer unserer Camp-Mitinsassen meinen Chef persönlich kennt. Wir beide könnten uns bei Zeiten nochmal über ein gewisses Schweigegeld unterhalten, damit weder meine technischen Fehltritte, noch diese, meine professionelle Ernsthaftigkeit untergrabenden Auftritte, jemals den Weg in sein Gehör finden. 

Wir schweifen unentwegt ab! Was sollen denn das bitte schön für Aufsätze sein?! Sind Lehrer anwesend? Sowas würde doch bei nem Klassenreisebericht wegen Verfehlens des Themas erstmal ne 6 geben! Zurück zum Wesentlichen! Endlich! Also bitte!

Ein Thema will ich noch behandeln, bei dem ich überhaupt nicht anwesend war, aber es sehr gerne gewesen wäre! Allein des infantilen Beischlaf-Humors wegen, der der ganzen Sause inngewohnt zu haben scheint. Die Durchwalkung der fleischlichen Hülle mithilfe einer unverschämt teuren Hartschaumrolle nämlich. Meine Theorie ist ja ohnehin, dass es ein Industrieunternehmen gibt, das mit den aus den Hartschaumzylindern herausgefrästen Kernen irgendetwas anstellt, damit aber nur leidlich über die Runden kommt. Und eines Tages dann kam da ein Produktmanager mal auf die Idee, den Resten ein zweites Leben einzuhauchen, ihnen eine Funktion angedeihen zu lassen und sie schlussendlich einer wehrlosen Käuferschar unterzujubeln, die sich für alles begeistert, was vermeintlich schneller, besser oder schöner macht, ohne wahrhaftig etwas dafür tun zu müssen. Ich finde das eine ganz sensationelle Verschwörungstheorie! Stellt euch mal vor, dieses ganze Fasziending wäre nicht der gelehrten Feder einer Physiotherapie-Koryphäe entsprungen, sondern einzig dem Gewinnmaximierungstrieb eines verzweifelten Herstellers für Hartschaumschlagstöcke oder Hüpfburgen-Gebläse.

Ich wollte aber doch eigentlich was ganz anderes! Es ist auch wirklich kaum mehr zu ertragen und tut mir unendlich leid. Wir exerzieren hier scheinbar allabendlich gemeinsam den Zauberlehrling durch: Ich bin der Besen und ihr habt den Salat und werdet mich nicht mehr los. Wenn’s euch zu bunt, blöd oder lang wird, dann gebt Paddy bitte in einer ruhigen Minuten ein Zeichen, dann reiße ich mich ab morgen zusammen. Wir sind nämlich immer noch nicht am Ende. 

Was ich eigentlich wollte: Als wäre die Blackroll in ihrer Urform nicht schon Teufelswerk genug, kann man das Ding nunmehr durch Dreingabe einer elektrischen Wunderturbine zum Leben erwecken. Leider spricht sie anschließend nicht und redet einem gut zu, bevor es mal wieder richtig zur Sache geht und flüstert einem während des Durchmatschens der Wadenmuskeln leise ins Ohr, dass man es schaffen und danach alles besser würde… nein! Das Scheißding vibriert dann auch noch! Himmel!     Wie ihr festgestellt habt, bin ich ja ein großer Freund der kleinen Witze… und wenn irgendwas stabförmig ist, irgendwo reingesteckt werden muss und vibriert, ist bei mir kein Halten mehr! Ich dachte ja, dass ich der Einzige wäre, der derart präpubertären Scherzchen etwas abzugewinnen wüsste, aber nein! Ich hörte, dass sich in diesem Theater von ganz alleine ähnliches zutrug und bin tatsächlich traurig darüber, dem nicht beigewohnt haben zu können. Aber unreife Witze unterhalb der Gürtellinie funktionieren ja von jeher am besten! Da wächst man auch nicht raus.

Befragt man den Thesaurus übrigens nach einem Synonym für „infantil“, schlägt die überhebliche Sau „zurückgeblieben“ vor! Na, aber hallo! Jetzt wird das Scheißding auch noch anmaßend! Penner!

Nun zum letzten Teil des heutigen Ausritts:

Bei dieser Gelegenheit will ich nur kurz erwähnen, dass in einem der Trainerdomizile Zucht und Ordnung herrscht, es nur etwas „interessant“ aussieht… im anderen hingegen ist es aufgeräumt, ansonsten sind aber Sodom und Gomorra los! Zum Glück ist dies kein zweiwöchiges Camp, sonst sähe ich kommen, dass wir uns alsbald gegenseitig die Zähne putzten, der Nachhaltigkeit beim Wasserbrauch wegen entweder gar nicht mehr oder nur noch gemeinsam duschten und auch ansonsten nur noch in der allernötigsten Kleidung rumliefen. Wo soll das bloß alles noch enden? Ihr macht mich fertig!